Liebe Mitglieder im Igelhilfe- Forum, liebe Besucher*innen hier,
meine Vorgängerin Karin Oehl ist mit über 80 Jahren noch aktiv im Igelschutz - sie bat mich, den nachfolgenden Text hier zu veröffentlichen:
Wildtierstationen am Rande des Nervenzusammenbruchs
Die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz von ihnen: den vielen wunderbaren Menschen, die im Stundentakt füttern, Flasche geben, im Fließbandtempo Käfige reinigen, Verbände wechseln, Medikamente einflößen usw. Die Ersatzmütter und -väter auf Zeit verzichten auf Schlaf und auf jegliches Privatleben, damit verletzte und verwaiste Igel, Vögel, Eichhörnchen, Marder, Dachse, Füchse eine Überlebenschance bekommen und irgendwann in die Freiheit entlassen werden können.
Da wir von deren Nöte ein wenig mitbekommen, möchten wir mit einigen Vorurteilen aufräumen, die nach wie vor kursieren:
🦔 Die Wildtierstationen, die wir kennen, arbeiten ausnahmslos ehrenamtlich. Sie bekommen keinerlei staatliche Unterstützung, bekommen ab und zu mal Spenden. Das meiste aber zahlen sie aus eigener Tasche.
🦔 Die Aufzucht eines verletzten Eichhörnchens bis zur Auswilderung kostet rund 70 Euro, die einer Wildkatze über 2.000 EUR. Wer also ein Tier abgibt, sollte möglichst eine Spende locker machen.
🦔 Wildtierstationen sind kein Taxiunternehmen! Oft heißt es am Telefon „Sie können den Vogel hier abholen“. Nein, das können sie nicht, weil sie gerade im Stundentakt Fläschchen geben oder Maden mit der Pinzette in hungrige Schnäbel schieben oder was auch immer. Fast jeder hat ein Auto oder kennt jemanden, der so ein Ding hat…
🦔 Ja, es ist ganz toll, wenn Menschen nicht wegschauen, wenn sie ein verletztes Wildtier finden, im Internet nach einer Auffangstation recherchieren und das Tier dorthin bringen. Das allein verdient Anerkennung, weil viele gerne auch wegschauen. Aber es muss klar sein: Für die Stationen beginnt der Job erst dann und kann Wochen und Monate dauern!
🦔 Wildtierstationen werden behördlich kontrolliert, müssen über jedes Tier Buch führen. Sie haben eine Menge Pflichten, aber keinerlei Rechte. Staat bzw. Kommunen halten ziehen sich bei dem Thema elegant aus der Verantwortung.
🦔 Wildtierstationen müssen irgendwann mal einen Aufnahmestopp verhängen, weil die zeitlichen und finanziellen Kapazitäten dieser Privatmenschen einfach begrenzt sind.
🦔 Wildtierstationen haben auch keine Rund-um-die-Uhr Telefonhotline. Die Versorgung der Jungtiere ist gerade in der Hochsaison so zeitintensiv, dass daneben nichts anderes mehr geht. Trotzdem versuchen viele, möglichst oft erreichbar zu sein.
🦔Es gibt viel zu wenige Auffangstellen! Und die, die es gibt, machen irgendwann zu, weil sie es einfach nicht mehr schaffen, weil sie Ärger mit den Nachbarn haben, weil sie es finanziell nicht stemmen können oder krank sind.
🦔 Wildtiere haben einfach keine Lobby. Sie gehören niemandem, maximal dem Jagdpächter, der aber nicht unbedingt am Päppeln interessiert ist.
Letztlich lastet ein unbezahlter Job auf den Schultern einiger weniger Idealisten, die das machen, was eigentlich die Aufgabe von uns allen wäre: nämlich sich um in Not geratene Wildtiere zu kümmern.
Der Traum von öffentlicher Finanzierung ist wohl gerade in dem ganzen Getöse völlig in den Hintergrund gerückt. Umso wichtiger, dass jeder, der es kann, ein paar Euro locker macht.
Recht hat sie!
Liebe Grüße
Heike Philipps